Schimpansen sind – ebenso wie Menschen – Wesen, die mit wenig fest umrissenem Wissen geboren werden. Alle Menschenaffen haben ein großes Gehirn und folglich große Kapazitäten, um Informationen zu verarbeiten, zu lernen und adäquates bzw. flexibles Verhalten zu entwickeln. Die lange Kindheit und Jugendzeit bei Menschenaffen dient dazu, möglichst viel zu lernen. Welches Wissen genau sie sich aneignen, hängt von den Umständen während ihres Heranwachsens ab. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch Menschenaffen, wie wir Menschen, lokale Gebräuche und Eigenheiten entwickeln – eine eigene Art von Kultur!
Insbesondere die Art und Weise, in der Schimpansen an schwer zugängliches Futter gelangen – zum Beispiel an Termiten oder Nüsse in einer harten Schale –, ist je nach Gebiet unterschiedlich. Bis Dr. Jane Goodall in den 60er Jahren in Tansania beobachtete, dass Schimpansen mit Stöckchen Termiten angeln, war die Verwendung von Werkzeug bei Schimpansen unbekannt. Inzwischen wissen wir, dass sich die bevorzugten Materialien, die genauen Techniken und die Verwendung der Werkzeuge sogar je nach Population unterscheiden.
Der Affenforscher Dr. Cleveland Hicks hat eine Expedition in die Demokratische Republik Kongo unternommen, die von der Lucie-Burgers-Stiftung kofinanziert wurde. Dort hat er in der Bili-Region eine abgeschieden lebende Schimpansen-Population studiert, über die noch kaum etwas bekannt war. Mithilfe von Kamerafallen Verhalten wilder Schimpansen festhalten konnte. Aber Hicks beobachtete auch als Erster den Einsatz von Werkzeug bei dieser Schimpansenpopulation. So wurde ein Schimpansenweibchen gefilmt, das einen Stock in die Erde steckte, um daran Dorylus kohli-Ameisen hinaufklettern zu lassen. Anschließend schleckte sie das Stöckchen wie einen Lolly genussvoll ab. Ein jüngeres Weibchen kopierte das Verhalten sofort, indem es ein Stück von einer Kletterpflanze abbrach und dieselbe „Angelmethode“ anwandte.
Die Schimpansen in Bili verwenden jedoch noch eine ganz andere Art von Werkzeug: bis zu 2,5 Meter lange Angelruten! Dieses Hilfsmittel ist sehr praktisch, wenn man beißende Wanderameisen fangen will, denn ihnen sollte man mit dem eigenen Körper keinesfalls zu nahe kommen. Daneben werden die extralangen Stöcke auch eingesetzt, um Honig und Larven stachelloser Bienen aus tief in der Erde liegenden Nestern zu fischen. Dieses Werkzeug und seine Verwendung für die Ernte von unterirdischem Honig wurden schon früher bei einer anderen Schimpansenpopulation im Norden des Kongos beobachtet. Bei Schimpansen aus dem Senegal oder Uganda sind derartige Mega-Angeln dagegen noch nie gesichtet worden.
Es ist naheliegend, dass auch Schimpansengemeinschaften in Tierparks an jedem Standort eigene Gewohnheiten entwickeln. Sogar „Dialekte“ kommen vor, wie in einer neueren Studie von Tim Bulters (Universität von Amsterdam) nachgewiesen wurde. Innerhalb des artentypischen Lautrepertoires von Schimpansen scheinen von Gruppe zu Gruppe leichte Abweichungen zu bestehen. So ist ein typischer „Pant-Hoot“ (die mit zunehmender Lautstärke ausgestoßenen Schreie bei Imponierverhalten und Aufregung) in der Kolonie im Königlichen Burgers’ Zoo etwas anders aufgebaut als im Amsterdamer Zoo. Folglich ist also auch das Fine-Tuning im Verhalten eindeutig erlernt und charakteristisch für eine ganz bestimmte Population. Auch Verhaltenskonformismus kommt vor: Dabei stimmen Tiere ihr Verhalten bewusst auf das ihrer Gruppengenossen ab. Ob ein Arnheimer Schimpanse, der in den Artis-Zoo umzieht, dort auch den Amsterdamer „Zungenschlag“ übernimmt und wie lange das dauert, wäre natürlich sehr interessant zu erfahren. Diese Facetten des Schimpansenverhaltens warten noch darauf, erforscht zu werden.
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